RUBIKON
Magdalena Lauritsch, A 2022, 110′
von Günter Strutz
Die Produktion eines Weltraum-Filmdramas in Österreich ist eine echte Herausforderung. Sie verlangt Mut und Entschlossenheit. Magdalena Lauritsch (34), das Produktionsteam und die heimischen Fördergeldgeber haben solchen Mut bewiesen und sich auf das Abenteuer erfolgreich eingelassen.
Diese Sci-Fi-Geschichte ist nach dem klassischen Prinzip der Einheit von Ort, Zeit und Handlung konzipiert. Sie bietet also einen besonders klaren Aufbau der Narration, einen eindeutigen Verlauf psychologischer Entwicklungen, somit eine gut fassbare Übersicht über den Handlungsfortschritt. Ein Konzept, welches das Mitdenken fördert und zum entschlossenen Reflektieren auch über unsere Zeit einlädt.
Das Drehbuch wurde von Magdalena Lauritsch, die nach ihrer Aussage ein großer Fan von Star Treck ist, und von Jessica Lind geschrieben. Das Budget war nicht wirklich ausreichend, dennoch gibt es hinreißende optische und akustische Effekte sowie einen international wettbewerbstauglichen Set. Die drei Hauptakteure, die mit einer starken schauspielerischen Leistung aufwarten, sind: die Konzernsoldatin Hannah Wagner (dargestellt von Julia Franz Richter), der Öko-Aktivist und Wissenschaftler Gavin Abbott (gespielt von Georg Blagden) und der Wissenschaftler-Biologe Dimitri Krylow (verkörpert von Mark Ivanir).
Auf der Erde ist die Atmosphäre durch eine Naturkatastrophe weitgehend unerträglich geworden. Eine dicke, giftige Nebelsuppe überzieht die Erdoberfläche. Man schreibt das Jahr 2056. Große Industriekonzerne haben die politische Macht an sich gerissen. Die Eliten leben in geschützten Bereichen von Air Domes. Die restliche Bevölkerung vegetiert unter schwierigsten Umweltbedingungen, um schließlich langsam zu verrecken. Das Raumschiff „Rubikon“, eine extraterrestrische Forschungsstation mit einer Crew von sechs Mitgliedern, gleitet in seiner Umlaufbahn über dieses Endzeitgeschehen.
Verschiedene thematische Einstellungen werden in den durch Schleusen getrennten, düsteren Räumen übersichtlich arrangiert. Unterbrochen wird die Innenhandlung durch Außeneinsätze am Raumschiff für Reparaturarbeiten oder Rettungseinsätze. Die Besatzung ist ohne Kontakte zur Erde. Man kann nur die Situation mit allen momentan bestehenden Unzulänglichkeiten beobachten. Im Raumschiff betreut Dimitri ein neuartiges, vielversprechendes Algenprojekt, das ausreichend und sicher Sauerstoff und Nahrung für ein mögliches Überleben auf Erden produzieren kann.
Daher entsteht die Frage: Kann und soll man nochmals zur Erde zurückkehren, um Überlebende zu suchen und zu retten? Das fordert insbesondere Gavin, der sich idealistisch in einer Rettungsaktion auch opfern würde. Hannah denkt an ihre Schwester, mit der sie eine gute Beziehung hat und die auf der Erde zurückgeblieben ist.
Gibt es überhaupt noch Überlebende, oder ist es verantwortungsvoller, weiterhin an Bord des Raumschiffs in seiner gesicherten Atmosphäre zu verbleiben?
Das moralische Dilemma, der Konflikt, ist die Tatsache, dass einerseits Menschen auf der Erde mit dem Algenprojekt, aber unter hohem Risiko, gerettet werden könnten und andererseits die Crew, wenn sie im Raumschiff verbleibt, mit Sicherheit überleben würde. Soll man, um andere zu retten, sein Leben riskieren?
Die Diskussion der drei windet sich zwischen Ethik und Verantwortung. Sie spitzt sich zu um den zentralen Punkt, das irdische, politisch ungerechte Zweiklassensystem vielleicht zu retten, oder als letzte Überlebende bis ans Ende im All zu verbleiben. Die „Rubikon“ wäre dann ihre Heimat. Ist das überhaupt attraktiv? Der Film bietet keine Antwort.
Eine Frau steht also im Mittelpunkt der Handlung, die in einer autoritären Männerwelt spielt. Das System von Befehlen und Gehorchen, die Basis jedes Soldatentums, wird von Hannah schließlich überwunden. Es gibt kein dominantes Heldentum in diesem Film. Hannah zweifelt oft und ist nicht vordergründig aktiv. Die Entwicklung der Charaktere wird sorgfältig begleitet und organisch aufbereitet.
Gegen Ende drängt sich die Frage auf, ob wir nicht, angesichts der fortgeschrittenen Privatisierung und des Klimawandels, schon in einer Welt, in der die Konzerne das Sagen haben und die Politik dominieren, leben? Dank der hervorragenden Leistungen des gesamten Produktionsteams ist der Film international bereits mehrmals verkauft worden. Er stellt eine besondere Empfehlung für die Drehbuchautorin und Regisseurin Leni Lauritsch dar.